Im Eis baden – Was steckt eigentlich hinter dem Hype? Teil I

Wir haben mal genauer nachgefragt

Da wir selbst leider viel zu wenig über’s Eisbaden wissen, haben wir einen echten Profi gefragt. Niklas Lohse, 26 Jahre jung, studiert aktuell in Gießen Biomechanik-Motorik und Bewegungsanalyse im Master und arbeitet nebenbei als Trainer des Calisthenics Vereins Streetworkout Gießen. Niklas beschäftigt sich quasi rund um die Uhr mit Gesundheit, Bewegung und neuen Möglichkeiten den Körper zu fördern. Letzteres brachte ihn also auch zum Eisbaden. Wie es dazu kam, wieso es aktuell so gehyped wird und wer im Eis baden überhaupt testen kann, erklärt er uns hier in seinem Interview.

Im Eis baden – wie kam es dazu?

Es ist ja nicht gerade angenehm ins eiskalte Nass zu gehen – wie und wann kamst du dazu?

Das alles hat 2019 angefangen, als ich und mein Trainingspartner durch Zufall von einem Freund in einem Video verlinkt wurden, in dem er bei Schnee in einen See gegangen ist. Das Video wurde mit „okay und jetzt ihr“ versehen, sodass wir fast schon keine Wahl hatten. Direkt nach dem ersten Mal hat es uns so fasziniert, dass wir ab dann wöchentlich im Wasser waren.

Vorbereitung?

Hast du dich vorbereitet? Gab es eine Art Mentor als Inspiration? Wenn ja, welchen?

Nein, gar nicht. Ich habe mir gedacht: ich bin jung und gesund, was kann schon schief gehen. Zwei Tage später war ich das erste Mal im Wasser.

Ist Vorbereitung generell nötig, oder kann man das auch einfach so mal Testen?

Meines Erachtens kann Eisbaden jeder einfach mal ausprobieren, wenn man gesund ist und nicht vorhat, alleine ins Wasser zu gehen. Natürlich ist Vorbereitung aber nie verkehrt – allein schon, um den Körper an die Kälte zugewöhnen. Wenn man immer nur so weit rein geht, wie man stehen kann, sehe ich da keine Bedenken. Allerdings würde ich empfehlen gegen Oktober mit dem Eisbaden anzufangen, dann kann man sich langsam an die kälteren Temperaturen gewöhnen.

Easy ins Eiswasser – Alles eine Sache der Atmung?

Im Internet findet man sämtliche Videos für die richtige Atmung. Hältst du dich da an eine Gewisse Technik, oder atmest du einfach besonders tief ein und aus?

Ich denke, die richtige Atmung gibt es nicht. Jede Atmung hat seine Vorteile. Wenn ich ins Wasser gehe schließe ich die Augen und Atme langsam und kontrolliert ein und aus. Setze meine ganze Aufmerksamkeit nur auf dies Atmung, das hält den Körper warm und ist für mich meine Art der Meditation.

Aus Biochemischer Sicht wird ja vermehrt Adrenalin und Dopamin ausgeschüttet, während man in der Kälte verweilt. Hält das High Gefühl dann auch noch, wenn man wieder im Trockenen ist?

Auf jeden Fall. Ich würde sogar sagen, gerade im Trocknen ist es noch stärker spürbar. Das Wasser ist für mich das Runterkommen, die Ruhe und die Meditation. Erst wieder im Trockenen tritt bei mir dieses „High“ Gefühl ein, das durchaus noch etwas länger anhält. Ich bin dadurch wach, mir wird schnell warm und ich bin wesentlich aufnahmefähiger als vorher.

Ist Eisbaden gesund?

Hast du gesundheitlich Unterschiede bemerkt?

Das Eisbaden hilft mir persönlich bei den klassischen Muskelschmerzen, die man als Sportler ganz gut kennt. Ebenfalls hilft es mir im Alltag. Wirklich kalt wird mir eigentlich nicht mehr. Ich konnte auch den ganzen Winter täglich Fahrrad fahren, ohne meine Handschuhe zu benutzen. Das war vor dem Eisbaden definitiv anders…

Woher der plötzliche Hype?

Was denkst du, woher kommt es, dass das Eisbaden plötzlich so ein Hype ist?

Eisbaden gab es ja schon immer und wird in vielen Teilen Deutschlands sogar als Verein praktiziert. Ich glaube, dass es in diesem Jahr vermehrt angewendet wird – das kann durchaus mit Corona zusammenhängen. Den Menschen ist einfach langweilig. Jungen (aber auch älteren) Menschen werden so viele Möglichkeiten der Aktivität genommen, sei es das Fitnessstudio oder das Beisammensein im Kaffee. Also geht man wieder Zurück zu den natürlichen Gegebenheiten, um sich zu Unterhalten und zu Fordern. Da ist der Gang ins kalte Wasser doch genau das Richtige.

Richtig im Eis baden gehen – Tipps und Tricks

Und was würdest du nun den Menschen raten, die Eisbaden gerne mal testen wollen, sich aber nicht so recht trauen?

Geht auf keinen Fall alleine ins Wasser! Nehmt euch Warme Klamotten mit, die ihr schnell anziehen könnt. Lasst die Jeans Zuhause, nehmt besser die Jogginghose. Mit eiskalten Fingern einen Knopf oder Reißverschluss zu schließen kann sich als wahre Herausforderung entpuppen. Lasst eure Hände und auch den Kopf aus dem Wasser raus. Und ganz wichtig. Versucht im Wasser zu entspannen, lasst eure Muskeln entspannen. Wenn eure Schultern nach oben gezogen werden, merkt ihr, dass ihr nicht entspannt. Also die Schultern ganz locker hängen lassen. Wenn ihr im Wasser seid, schließt die Augen und akzeptiert, dass es kalt ist. Wenn ihr die ersten 20 Sekunden im Wasser seid und euch der Kälte ganz hingegeben habt, wird es wesentlich besser! Aber: Das ist kein Wettkampf, ihr müsst niemandem etwas beweisen! Wenn ihr nur kurz rein und wieder raus geht ist das auch vollkommen okay. Versucht nicht eine gewisse Zeit drin zu bleiben, sondern hört auf euren Körper!

Gerade am Abend und bei Dämmerung ist der Ausblick auf die funkelnden Lichter im Voralpenland ein wirklicher Traum. In Richtung Nordwesten sieht man deutlich den Lichtschein von München. Der Kontrast zeigt sich im wenig beleuchteten Süden und dem Kaisergebirge.

Video vom Eis baden